Habt keine Angst!

Christina Hemauer und Roman Keller haben ungewöhnliches Projekt lanciert unter dem Titel «L’Energia siamo noi – Studio Frauenfeld » übt das Künstlerpaar Christina Hemauer und Roman Keller derzeit im neuen shed des Eisenwerks Frauenfeld unter anderem die «Postpetrolistische Internationale ein.

von Pascal Spalinger

Derzeit ist im neuen shed eine grosse, rollbare Bühne zu sehen. Aufnahme- und Tongeräte stehen herum, ein Arbeitstisch und einige selbst gezimmerte Stühle. Alles ist mit Bedacht eingerichtet und inszeniert worden. Dies alles im Rahmen des Projekts «L’Energia siamo noi – Studio Frauenfeld», das die beiden Künstler Christina Hemauer und Roman Keller derzeit am realisieren sind. Das Kunstprojekt setzt sich im Zusammenhang mit der Ausstellung «Mora­lische Fantasien», die derzeit im Kunstmuseum Thurgau läuft, mit der unserer Energiezukunft auseinander.

Idee ist 2006 entstanden
Christina Hemauer und Roman Keller beschäftigen sich in ihrer künstlerischen Arbeit seit meh­reren Jahren mit Energie-Fragen und dem Problem der schwindenden Ressourcen. In «A Moral Equivalent of War» (2006) recherchierten sie den Verbleib der Solaranlage, die der amerikanische Präsident Jimmy Carter 1979 auf dem Dach des Weissen Hauses installieren liess und die durch seinen Nachfolger, Ronald Reagan, sieben Jahre später wieder entfernt wurde. Zu diesem Thema konnten die Preisträger des diesjährigen Swiss Art Awards Jimmy Carter sogar interviewen. Im selben Jahr nahmen sie die Diskussion um die fossilen Brennstoffe zum Anlass, eine Kunstrichtung auszurufen, die sich mit Bildern, Visionen und Lebensentwürfen für die Epoche nach der Erdöl-Ara befasst, und läuteten in Zürich den «Post­petrolismus» ein. «Wir sind bereits mitten in der neuen Epoche drin und müssen in ein neues Energiezeitalter aufbrechen. Es geht nun vor allem darum, neue Energieressourcen zu finden, die von der Menschheit verschwendet werden können», erklärt das Künstlerpaar auf Anfrage.

Renommierte Gäste
Dank Rebekka Ray und Ueli Vogt, dem Kuratoren-Team des neuen shed im Eisenwerk Frauenfeld, und der Vermittlung von Dorothee Messmer, Kuratorin des Kunstmuseums Thurgau, konnte das Künstlerpaar – das die Schweiz im Übrigen heuer an der Kairo-Biennale vertreten wird – im neuen shed eine Art Atelier einrichten, das «Studio Frauenfeld». Der Raum ist für die Ideen von Christina Hemauer und Roman Keller wie geschaffen. Sie verfolgen unter dem Titel «L’Energia siamo noi» gleich zwei Teilprojekte. Einerseits die Durchführung von öffentlichen Studiogesprächen unter dem Motto «Chronology of Energy- and Art-Related Developments ». Eine erste Veranstaltung zum Thema hat bereits stattgefunden. Für die Studiogespräche hat das Künstlerpaar renommierte Gäste gewinnen können. So wird am 3. September um 19.30 Uhr zum Beispiel unter dem Titel «Die Geschichte der Verschwendung» der Lyriker und Ethnologe Jürg von Ins zu Gast sein. Die weiteren Veranstaltungen sind unter www.studiofrauenfeld.info ersichtlich. Christina Hemauer und Roman Keller wollen mit der Veranstaltungsreihe der Frage nach gehen, inwiefern sich die Kultur und Kunstgeschichte parallel zur Energiegeschichte entwickelt. Bereits in ihrem Manifest des Postpetrolismus knüpften sie einen Bezug zwischen fossiler Energie und Moderne. Als Grundlage für die ak­tuelle Untersuchung dient ihnen das energiegeschichtliche Glossar des sechsbändigen, von 400 Expertinnen und Experten aus 40 Ländern verfassten wissenschaftlichen Werks «Encyclopedia of Energy» das alle energierelevanten Geschichtsereignisse seit der Entstehung unseres Planeten zusammenfasst.

Postpetrolistische Internationale
Parallel zu den Studiogesprächen haben Christina Hemauer und Roman Keller ein Chorprojekt ins Leben gerufen. Dafür hat das Künstlerpaar zusammen mit dem Musiker Mathias Vetter die «Postpetrolistische Internationale» komponiert, die den Aufbruch in ein neues Energiezeitalter anstimmt. Auch hier heisst es unter anderem sinngemäss, man müsse nach neuen Verschwendungsmöglichkeiten suchen. Unter der Leitung von Anna Maria Caleb Kunz wird mit unterschiedlichsten Chören geprobt und gesungen. Die Proben sind öffentlich, und jeder, der sich beteiligen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Bereits hat eine öffentliche Chorprobe statt gefunden, zu der sich Sängerinnen und Sänger aus dem ganzen Thurgau – von Islikon bis Kreuzlingen – eingefunden haben. Noch werden Sängerinnen und Sänger gesucht. «Vor allem Bässe sind noch gefragt, aber selbstverständlich dürfen sich auch Personen anderer Stimmla­gen gerne melden. Je mehr Leute mitmachen, desto besser», erklärt Roman Keller. Die nächsten öffentlichen Chorproben finden am 5.9. um 20 Uhr, am 13. und 20.9. um 16 Uhr sowie am 26.9. um 20 Uhr jeweils im neuen shed des Eisenwerks Frauenfeld statt.

Parade als Höhepunkt
Es spricht für den Ideenreichtum des Künstlerpaares, dass die Uraufführung der «Postpetrolistischen Internationalen» in einem speziellen Rahmen stattfinden wird, nämlich in Form einer Art Prozession. Am 28. September um 14 Uhr treffen sich diejenigen Sängerinnen und Sänger, die vorher an den öffentlichen Proben mitgewirkt ha ben, auf dem Parkplatz der Kartause Ittingen in Warth. Von dort findet eine Parade bis zum Eisen werk statt, während der die «Postpetrolistische Internationale» gesungen wird. «Wir hoffen auf eine möglichst imposante Parade», wünscht sich das Künstlerpaar.

Thurgauer Nachrichten, ZU GUTER LETZT, Dienstag, 2. September 2008