Die Sintflut war eine Verschwendung

Das Künstlerduo Hemauer/ Keller widmet sich im Neuen Shed der Energie in Zeiten des Postpetrolismus. Fünf Studiogespräche diskutieren Energie, Kunst und Kultur.

von Dieter Langhart

Frauenfeld – Das Öl geht uns aus. Wie gehen Künstler mit dem Klimawandel um? Parallel zur Ausstellung «Moralische Fantasien» im Thurgauer Kunstmuseum geht es Christina Henauer und Roman Keller im Studio Frauenfeld um Energie in Zeiten des Postpetrolismus. Vor drei Wochen begannen die öffentlichen Proben zur Postpetrolistischen Internationalen; zum Projekt «L’energia siamo noi» gehören aber auch fünf öffentliche Studio-Gespräche. Mit geladenen Fachleuten unterhalten sich Hemauer und Keller über die Beziehung zwischen Energie, Kunst und Kultur.
Beim zweiten Gespräch ging es um die Verschwendung von Ressourcen, die in Ökonomie und Ökologie eine zentrale Rolle spielt. Die Annahme: Verschwendung ist zentral in jeder Gesellschaft, also auch in Kunst und Kultur. Die Kunsthistorikerin Cynthia Gavranic, Kuratorin am Museum für Gestaltung Zürich, nahm Nahrung als Beispiel etwa in Abendmahlsdarstellungen: «Verschwendung ist legitim, wenn sie mit Demut verbunden ist.»

Bugatti mit 1001 PS
«Die Sintflut war die erste Verschwendung. Die ganze Schöpfung wurde wegen menschlicher Unvollkommenheit geflutet.» Jürg von Ins (Lyriker, Ethnologe, Theologe, Philosoph) gab sich leicht provokativ. Er verneinte die These, dass Verschwendung glücklich mache. Er hat über Rituale habilitiert und konnte locker von religiösen Opferriten zum Bugatti Veyron 16.4 springen, den mit 1001 PS.
Ohne Knappheit sei Verschwendung nicht möglich, sagte von Ins. In der Kunst sei sie wertfrei und müsse rehabilitiert werden. Riten der Verschwendung habe es immer gegeben, und das «Ich muss weniger dürfen», die Vorgabe der Umweltbewegung der Achtziger, habe in eine Sackgasse geführt. Opfer und Feste bezeichnete er als primäre kulturelle Leistungen. Cynthia Gavranic nannte auch die Kunst ein Ritual und fragte, ob Kunst nicht auch Verschwendung sei. Sie entstehe stets im Dienste einer Sache: «Wer gibt Kunst in Auftrag?» Die Kunsthistorikerin erinnerte an «den letzten Schamanen» Beuys und seine Utopie «La rivoluzine siamo noi», an der «ihr anknüpft», wie sie zu Hemauer und Keller gewandt meinte.

Manifest als Anfang
Gavranic fragte die Künstler, wie ihre Utopie laute. «Sie ist nicht so konkret», antwortete Roman Keller. Ihr Manifest sei erst ein Anfang. «Es muss ein Sinn in der Verschwendung gefunden werden», schloss Gavranic, und Jürg von Ins legte dem Publikum diese Sentenz vor: «Ich bin für die Legalisierung geistiger Nahrung.» Die kleine Runde mochte den Ball nicht aufnehmen.

Thurgauer Zeitung, Freitag 12. September 2008, KULTUR